Weine nicht, wenn der Regen fällt!
Achtzehn Personen waren radiogläubig, vermute ich einmal. „Radiogläubig“ – was ist das? Ganz einfach: Sie meinen, dass richtig sei, was im Radio, in dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk, gesagt wird, zumal wenn es ums Wetter geht.
Die Richtigkeit der übrigen Informationen ist ein anderes Thema, das ich hier einmal beiseite lasse. Und zu dieser Sorte von Radiogläubigen zähle ich mich auch. Ich denke - wie war das mit den Pferden? - , denke also: Radio sagt, kleine Schäuerkes, ich denke weiter: „Packse mal Rejenzeuch ein, kann nich schaden.“ Ja, das dachte ich wie siebzehn andere auch. Einer raste sogar noch vor der Abfahrt nachhause, Regenzeug zu holen. Das Murmeln der anderen Ra- diogläubigen über das Wetter ließ ihn davonhetzen.
Die schon frühzeitig an der Schrottsäule Eingetroffenen erwärmte eine August- sonne, die an einem wolkenlosen, klaren Himmel stand. Sollte es wirklich reg- nen? Nun, ein Schäuerken, mehr wohl nicht.
Am Witten Huss vergrößerte sich die Schar, wie erwähnt, auf achtzehn Perso- nen, und weil das nach Adam Riese1 mehr als sechzehn sind, bildeten sie somit gemäß §27 StVO einen geschlossenen Verband. Wir radelten nun brav hinter dem Vorfahrer her, der eine entschleunigte Geschwindigkeit fuhr, bei dem auch wir, die vier Schleich- oder Simpelradfahrern, die zu dem „Verband“ gehörten, mühelos mithalten konnten. Zwei Kästchenfahrern war das bei einer Steigung zu schleichend. Sie bretterten an den Folgsamen vorbei nach oben.
An Brunos letzter Ruhestätte war, wie bei nahezu allen dort vorüber führenden Fahrten üblich, eine Pause angesagt, Zeit genug, nicht nur eine Banane zu ver- tilgen oder sich fachmännisch mit anderen über Akkus, Handys und ähnliche Sachfragen auszutauschen, sondern sich außerdem den im feuchten Wald um- her irrlichternden Mücken als Verpflegungsstation zur Verfügung zu stellen. Fünfzehn Minuten sollten genügen, hatte der Vorfahrer entschieden. Recht hatte er: Wir wollten ja radeln, zwar nicht Kilometer fressen, waren hier doch lediglich achtundsechzig vorgesehen, aber nicht stundenlang palavernd im Wald die Zeit verstreichen lassen. Weiter ging es.
Sträterei, Rotbach – fast alles Wege, die allen bekannt waren. Es sollte ja auch nur eine Rundtour um Dinslaken sein. Da türmten sich rechter Hand am Himmel Regen ankündigende Wolkenberge auf. Schon begann es zu tröpfeln. „Weine nicht, wenn der Regen fällt, daun, daun ...“, meinte NN vor sich hin summend. Nein, zum Weinen gab es keinen Anlass, und mit dem Marmor und Stein, die brechen sollen, hatten wir nichts zu tun. Aber wenn „nicht weinen“ dran war, dann war Schutz suchen dran. Der Vorfahrer, der Gegend kundig, bog vom ur- sprünglich geplanten Weg ab und steuerte eine ebenfalls allen bekannte Schutz- hütte an der Mülldeponie Hühnerheide an. Einige suchten sogleich unter deren Dach Schutz, während andere, optimistisch gesonnen unter den Bäumen am Wegesrand auf das Ende der Tröpfelei warteten. Indes entwickelte sich das Tröpfeln zu einem hin und wieder von Donnern begleitetem ergiebigen und an- haltenden Guss (s. Foto unten). War es ein Wolkenbruch, der im allwissenden Internet als kurzer, extrem starker Niederschlag definiert wird? Jedenfalls flüch- teten nun alle in die Hütte, wo schon eine von Magersucht nicht geplagte Frau, die ihr kleines fettes Hundchen spazieren geführt, sich untergestellt hatte.
Man konsultierte die Wetter-App, die alles Mögliche andeutete, worauf man sich, wie bald klar war, hier und jetzt nicht verlassen konnte. Als das Pladdern und plätschern endlich aufhörte, beschloss der Vorfahrer, die Tour fortzusetzen.
Doch wenige Kilometer weiter öffnete, so könnte man sagen, der Himmel erneut seine Schleusen. Ein*e jede*r, auch die letzten Zögerer hüllte sich eilends in die mitgeführten Outdor-Klamotten. Vergebens: Man/frau wurde nass. Bevor der Verband nach dem kurzen Stopp unter Bäumen am We- gesrand das nun gar nicht mehr schützende Laubdach verließ, verkündete der Vorfahrer weise und mit lauter Stimme: „Wir fahren jetzt nach Voerde!“ Nun rasten alle durch die herabstürzenden Wassermassen am Emscherklärwerk und dem Hardfeld vorbei zur Emscher, wo es auf dem parallel verlaufenden Radweg wei- ter gen Dinslaken ging. Donner krachten, Reifen durchschnitten die Wasserflä- che, die jetzt eine endlose, schmale Seenplatte zu sein schien, zu der sich die Fahrbahn verwandelt hatte. Vorn sah ich durch die Regenschleier einige gelb Leuchtende von unserem Verband, der nun keiner geschlossener mehr war. Und dann kam die Autobrücke, unter der ich glaubte Schutz vor den Wassermassen finden zu können. Dort herrschte jedoch schon ein großes Gedränge. Nicht nur die unserem Vorfahrer Folgenden, sondern auch andere „Zivilisten“ hatten sich da vor uns untergestellt. Man rückte etwas zusammen, so dass auch die Nach- zügler Schutz fanden.
Sobald der Regen etwas nachließ, blies unser Vorfahrer zum Aufbruch. Als wir dann Voerde erreichten, dachten wir: Wären wir nur hier geblieben. Da war es nahezu staubtrocken. Nix Regen. Darüber hätte man vielleicht weinen oder gar heulen können, wenn es nicht trotz und alledem eine ganz lustige, abwechs- lungsreiche, abenteuerliche und .... Tour gewesen wäre. Immerhin waren wir von den 68,1 geplanten Kilometern 40 gefahren und konnten uns um 14 Uhr schon mit trockener Kleidung versehen – vermute ich einmal.
Ihr, die Ihr das gelesen habt und nicht dabei wart, lacht? Schadenfreude? Lacht nur! Ihr habt etwas versäumt.
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1 Wikipedia: Adam Ries (oft auch Adam Riese) * 1492 war ein deutscher Rechenmeister