Wetter war Sch...., sagen wir mal sehr schlecht - 4. KW 2022
Wenn se1) uns ADFC- Do-Radler an die Regierung ließen, wäre die Welt nicht nur morgens um sieben in Ordnung 2). Aber so? Drohender Krimkrieg, bald keine Heizung mehr, Corona – kurz: Depressionspflege schien angesagt zu sein.
Wir ersaufen zugegebenermaßen an Negativmeldungen. Allseits Bekanntes wurden ausgetauscht und gegenseitig bestätigt. Dabei sollte Fahrradfahren geradezu ein Antidepressivum sein. Was war passiert? Was erschlug die Stimmung? War ich das mit meiner anfänglichen Motivationsschwäche?
Zugegeben: Als ich am Do-Morgen der 4.KW zur Schrottsäule kam, wegen des feinen Sprühregens unter dem Rathaus Schutz suchte, war ich allein und phantasierte so für mich hin: „Gleich bist du wieder zu Hause“. Doch dann nahten drei Gelbwestige.
„Also,“ sprach ich zu ihnen, „wegen der Witterung fahren wir nur bis zum Lippeschlösslein, sehen, ob da vielleicht noch eine, unser harrende Person steht, was ich für unwahrscheinlich halte, und dann geht’s über Mandrella wieder nach Hause ins Warme.“ Als sich keine Widerrede erhob, ging die Fahrt los, doch so rechte Lust hatte ich nun ziemlich gar nicht. Von wegen „wir lieben die Stürme .. der eiskalten Winde raues Gesicht“. Sturm war angesagt, und der Wind war alles andere als lind oder gar lau.
Und dann erblickte ich sie im Windschatten des Schlössleins: Zwar nicht hunderte, sondern immerhin genug Gelbwestige, genauer, vier offensichtlich hoch motivierte Radler, viel zu motiviert, um die Rundfahrt wie vorgesehen abkürzen zu können. Sogar NN1 hatte es sich nicht nehmen lassen, uns zu begrüßen und mitzuteilen, dass er, allein aus terminlichen Gründen und nicht der Witterung wegen, dieses Mal nicht dabei sein könne. Immerhin hob sich mein Motivationspegel angesichts dieser kleinen Schar um einiges. War das nun der Grund, dass im Verlauf der weiteren Fahrt das Depressionsgerede nachließ und schließlich verendete? Das Wetter wurde jedenfalls nicht besser. „Um 11 Uhr soll der Regen aufhören,“ verkündete NN2 optimistisch, zu optimistisch wie sich allmählich herausstellen sollte, aber immerhin …
Am Auesee gab es an einer Schutzhütte das ersten Päuschen. „Fahrt abkürzen?“, wagte ich zaghaft anzufragen. „Warum?“, Sprach man darauf hin, „Wetter soll sich doch bessern?“ Den Stürmen und „eis kalten Winden“ konnte ich zwar nichts ab gewinnen, aber langsam begann es, mir doch sogar Spaß zu bereiten, das Radeln. Also ging es auf der im Navi aufgezeichneten Route weiter. Rechts Buschwerk, links weidende Gänse, die, als wir nahten, schwerfällig durchs Gras watschelnd die Distanz zu uns oder zu dem Weg auf dem wir pedalierten, zu vergrößern suchten, kaum Hunde, die zum Defäkalisieren ausgeführt wurden.
Flüren querten wir, durch den Diersfordter Wald ging es bis zu dem Mini-Shopping-Center am Westfeldweg, was wohl schon zu Hamminkeln gehört. Auf, zu meist verkehrsarmen Wegen lenkte uns mein Navi auch über eine kurze Strecke, auf einen nicht ganz ebenen Feld- und Waldweg gen Wertherbruch. Verkehrsarm – wer radelt schon bei solchem Pisselwetter freiwillig durch die Gegend? Natürlich hartgesottene ADFC-Radler und eine –Radlerin, zu deren Programm es eben gehört, sich wenigstens einmal in der Woche ordentlich zu bewegen. Soll ja der Gesundheit zuträglich sein.
Das Waldsee-Café hatte noch Winterpause oder „Winterschlaf“, wie zu lesen war, mithin war es nichts mit dem sagenhaften Kuchen. So ging es an Milchfabriken vorbei, die erweitert wurden, obgleich man doch mal etwas Kritisches zur „Massentierhaltung“ gehört hatte, vorbei an einem Hähnchen-KZ, in dem man „Wiesenhähnchen“ herstellte, wie zu lesen war, ohne dass die armen Viehcher jemals eine Wiese hatten betreten können; das ist jedenfalls mit gutem Grund zu vermuten.
Endlich war die Backfabrik Bors erreicht, die wir schon mehrfach angesteuert haben und in der wir nach Vorlage des Seuchenpasses uns aufwärmen konnten. Man hätte sich mit Teilchen oder Torten vollstopfen können. Man tat es jedoch nicht, wissend, dass “wer sich ungesund ernährt, erhöht nicht nur sein Risiko für Übergewicht, sondern auch Erkrankungen …“3). Zum Glück ging es schon nach 45 Minuten weiter, zügig gen Heimat, zumal inzwischen – zumindest bei mir – alles ordentlich durchfeuchtet war.
Hatten wir, rheinisch gefragt, während der ganzen Tour „useliges Wetter“? Nein "Scheißwetter" auf gut deutsch, und am Ende war es doch noch eine ganz nette 67-km-Rundfahrt mit Wendepunkt in Richtung Nord-Nord-West, denn „die beste Frischzellenkur für unser Gehirn sind andere Menschen“4), zumal auf dem Fahrrad.
- Okko Herlyn: Niederrheinische Gottheit mit zwei Buchstaben
- Morgens um sieben ist die Welt noch in Ordnung ist ein deutscher Spielfilm von Kurt Hoffmann aus dem Jahr 1968
- SeniorenBravo 1.Febr.22, S. 12 – Apotheken Umschau
- 4) Ebd.